Unter Verdacht – Der KompASS Weihnachtskrimi – Teil 1
„Jingle Bells, Jingle Bells, Jingle all the way!“. Finn war gut gelaunt, als er sich an diesem Sonntagmorgen im Klassenraum neben seiner guten Freundin Leonie niederließ. „Was bist du so fröhlich?“, fragte sie und blickte Finn verständnislos an. „Es ist fünf vor acht an einem Sonntag und wir müssen in die Schule!“ „Ach, wir haben ja keinen normalen Unterricht. Außerdem ist der erste Advent!“. „Und der erste Tag im Dezember überhaupt.“, bemerkte Leonie in ihrer rechthaberischen Art, während sie einen Block und Stifte hervorholte und anschließend begann, gelangweilt einige Weihnachtsmotive zu malen. „Das ist aber ein schöner Ilex!“ „Ein was?“. Finn und Leonie fuhren herum. Herr Arnold, ihr Lehrer, war hineingekommen und setzte sich hinter sein Pult. Er war nahezu besessen von Biologie, und so nannte er die Dinge immer bei ihren lateinischen Namen, sofern es einen gab. Sie wollten heute noch einmal zusammenkommen, um die letzten Vorbereitungen für ihren Stand auf dem traditionellen Weihnachtsmarkt der Schule zu treffen. Dieses Jahr handelte es sich einfach um einen Weihnachtsbaum. Zwar wäre ein Plätzchenverkauf oder ein Krippenspiel sicher spannender gewesen, doch der Baum war auch okay. Zumal er sich mit seinen stattlichen 11,6 Metern Höhe deutlich vor den anderen Ständen hervorhob. Es gab auch vier ganze Kisten mit Baumschmuck wie Kugeln, Strohsternen, Glocken und Lametta. Das tollste war jedoch die gigantische Tannenbaumspitze.
Sie war schon seit Ewigkeiten im Besitz der Schule und sehr wertvoll, sie bestand aus purem Gold. In den nächsten Minuten trudelten alle langsam ein, sodass um fünf nach acht der Raum bis auf den letzten Platz besetzt war. Alle wollten möglichst schnell fertig sein, also gingen sie gleich hinunter auf den Schulhof, wo Herr Schröder, der Hausmeister, den Baum schon aufgestellt hatte. Sie teilten sich auf. Jeder war für eine Kiste zuständig ƒund dafür, dass der Inhalt am Baum hing. Nur Finn, Leonie und drei ihrer Mitschüler nicht. Sie kümmerten sich um die Baumspitze. Diese lag, ebenso wie die Kisten mit dem Schmuck, im Lehrerzimmer. Sie war in drei Lagen Bläschenfolie eingewickelt und mit Paketband verschnürt, und es war gar nicht so einfach, sie freizulegen. Schließlich hatten sie es geschafft und trugen gemeinsam das riesige Objekt nach draußen. „Boah, ist die schwer!“, keuchte Michel, einer der Mitschüler. Tatsächlich waren sie auch zu fünft nicht stark genug, um die Spitze sicher zu transportieren. „Gold ist halt eins der schwersten Elemente im Periodensystem.“, bemerkte Jana, die noch nie im Unterricht gefehlt hatte und immer gut in allen Fächern war. „Warte, die ist aus echtem Gold?“, wollte Sofia wissen. Sie war erst seit einigen Wochen an der Schule und hatte nach Aussage der Lehrer vorher in einem Kinderheim gelebt. Sie war auch schon über ein Jahr älter als alle anderen und wirkte immer sehr verschlossen. „Einhundertprozent Ag!“, bestätigte Finn. „Ag ist Silber, Gold ist Au.“, korrigierte Jana. „Meinte ich doch…“, murmelte Finn. „Pass auf!“, rief Leonie. Nicht nur ging es steil bergab, sie gingen nun auch noch über Glatteis. „Alles gut.“, versicherte Jana. „Gold kann nur schwer brechen.“. In diesem Moment hupte ein Auto auf der nahegelegenen Straße. Michel erschrak so sehr, dass er die Baumspitze losließ. „Du Trottel!“, sagte Finn und bückte sich, um sie aufzuheben. Doch dann rutschte er aus. „Verdammt!“. Leonie hielt ihm sofort eine Hand hin. Doch anstatt ihn hochzuziehen, fiel sie ebenfalls hin und rutschte mit Finn ein paar Meter den Hang hinab. Die Spitze, die Finn losgelassen hatte, schlitterte nun langsam ebenfalls nach unten. Hinter einer Weggabelung, über die es zum Baum ging, endete die Senke an einem großen, mannshohem Metallzaun. „Warte, ich hab‘ sie gleich.“, sagte Michel und versuchte, zur Baumspitze zu gelangen. Doch ihm passierte das gleiche wie Finn und Leonie. Schließlich schaffte es Jana, die Skulptur zu packen, stürzte jedoch ebenfalls zu Boden. „Alter!“, rief Michel. Seine Klassenkameradin hatte ihn nicht gerade sanft getroffen. Nun rasten sie zu viert auf den Zaun zu. Finn, vorneweg, hielt Leonie an den Schuhen, die wiederum Michel hielt, der wiederum Jana hielt, die wiederum die Baumspitze hielt. Flutsch, der Spalt unter dem Zaun war zum Glück groß genug für die Schüler, nicht aber für die goldene Christbaumspitze. Mit einem lauten, metallischen Knall schlug sie dagegen und Jana ließ los. Hier endete der Abhang, und sie konnten wieder aufstehen. „Wo ist Sofia?“, wollte Michel wissen. „Ich glaube, die ist gar nicht mit nach unten gerutscht.“, sagte Leonie und klopfte sich den Dreck von der Hose. Um wieder auf das Schulgelände zu kommen, mussten sie ein paar hundert Meter laufen. Fünf Minuten später waren sie wieder auf der anderen Seite, da wo sie ausgerutscht waren. Dieses Mal war aber auch Herr Arnold dabei. Doch die Spitze war nicht mehr da. „Aber… Wie kann denn das… Sie war doch hier!“, stammelte Finn. „Vielleicht hat Sofia sie inzwischen selbst zum Baum gebracht.“, vermutete Leonie. „Nein. Sie ist zwar wiedergekommen, aber sie sagt, sie sei auf Toilette gewesen, nachdem ihr das kostbare Teil fallen gelassen hattet. Und als sie wieder da war, wart sowohl ihr, als auch die Baumspitze weg.“, sagte Herr Arnold. „Dass sie auf Toilette war, ist möglich, aber wir haben die Spitze nicht genommen!“, beteuerte Michel. „Sicher?“ fragte Herr Arnold und blickte ihn und Finn böse an.
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Wenn ihr erfahren wollt, was mit der Baumspitze passiert ist, dann lest am 2. Advent die Fortsetzung, nur im KompASS Adventskalender!
Emil (10b)